Die Vorzeigefamilie by Mischke Susanne

Die Vorzeigefamilie by Mischke Susanne

Autor:Mischke, Susanne [Mischke, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426431252
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2013-08-13T00:00:00+00:00


Thomas kam schwer bepackt mit Einkäufen zurück, füllte den Kühlschrank und dekantierte den Rotwein. Über die Veränderungen im Haus verlor er kein Wort. Im Gegenteil, er schien recht gut gelaunt zu sein, widmete sich mit Eifer den Essensvorbereitungen und legte dazu diese uralte CD mit den Weihnachtsliedern aus Hollywoodfilmen auf, die man wirklich nur einmal im Jahr ertragen konnte. Es ist beinahe wie früher an Weihnachten, dachte Ingrid, und ihre undefinierbare Furcht von vorhin wich einer Welle der Wehmut.

Oliver fuhr zum Flughafen. Die Maschine aus Ankara landete pünktlich, und um sechs Uhr waren die Akbuluts da.

Herr Akbulut war ein untersetzter, kahlköpfiger Mann mit Mondgesicht und einem riesigen Schnurrbart. Er schien ein Mensch zu sein, der viel und gerne lachte und noch lieber aß. Seine Frau dagegen war zierlich gebaut. Ein knielanges Kleid in einem modischen Siebziger-Jahre-Muster betonte ihre Figur, die Beine bedeckten schwarze Leggins und Stiefeletten mit hohen Absätzen, auf denen sie sich mit Eleganz fortzubewegen wusste. Ihr Haar war von einzelnen grauen Strähnen durchzogen, der Pagenschnitt betonte ihren langen Hals. Sie sah ihrer Tochter Sibel ähnlich, wobei Ingrid die Mutter fast noch hübscher fand als die Tochter. Sollte Sibel auch einmal so vorteilhaft altern wie Frau Akbulut – wobei das Wort »altern« wirklich nicht angebracht war, die Frau war höchstens Mitte vierzig –, dann hatte Oliver keine schlechte Wahl getroffen.

Herr Akbulut hatte eine Flasche Raki mitgebracht und bestand auf einem Begrüßungsschluck. Frau Akbulut entschuldigte sich sogleich für den Besuch – ausgerechnet an Weihnachten.

»Aber nein«, sagte Ingrid, »wir freuen uns über die Abwechslung. Sonst ist es doch eh jedes Jahr dasselbe …«

»Wir haben christliche Freunde, sie laden uns immer zu Weihnachten ein. Aber wir wollten einmal so ein richtiges deutsches Weihnachtsfest erleben.« Gülay Akbulut sprach sehr gut Deutsch, an das stark akzentuierte Englisch ihres Mannes musste man sich dagegen erst gewöhnen.

»Sie haben so ein schönes Haus«, meinte er später am Abend. »Und so geschmackvoll eingerichtet.«

Ingrid nickte. Ja, die schöne alte Villa, die Thomas’ Urgroßvater hatte errichten lassen, hatte sie immer sehr gemocht. Manchmal dachte Ingrid darüber nach, ob sie damals die Aussicht, in diesem prächtigen Haus zu wohnen, davon abgehalten hatte, sich Thomas genauer anzusehen. Jedenfalls wurmte sie der Gedanke, dass nun Bernd darin lebte.

Das Weihnachtsfest konnte beginnen. Nach den Würstchen folgte die Bescherung unterm erleuchteten Tannenbaum. Ingrid legte begeistert die neuen Ohrringe an, Thomas packte den Samowar aus, den er Ingrid vor achtzehn Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte. Der allein wäre schon ein Scheidungsgrund gewesen, hatte Ingrid beim Einpacken gedacht und sich gefragt, warum sie das scheußliche Ding nicht schon längst entsorgt hatte. Thomas wusste sich zu beherrschen und heuchelte Freude. Seine Überraschung brauchte er nicht vorzutäuschen, die war echt. Oliver freute sich über den neuen Laptop von seinen Eltern und Sibel über das Bettelarmband, das Oliver für sie gekauft hatte. Damit die Gäste nicht mit leeren Händen dasaßen, hatte Thomas auch für sie Geschenke besorgt. Herr Akbulut erhielt einen schwarzen Pelikanfüller mit eingraviertem Namen. Der war sicher nicht billig, schätzte Ingrid. »Eine alteingesessene Hannoversche Firma«, erklärte Thomas dem Gast voller Stolz.



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